Heute darf ich Euch endlich wieder einmal eine Stillgeschichte erzählen, dieses mal von Tara. Es ist unglaublich, was sie alles durchleben musste und wie sie trotz mehrerer, teils schwerwiegender Hürden den Weg zum (Voll-)Stillen meisterte – mit einem guten Stück sehr starkem Willen… Danke für’s Teilen, liebe Tara!
Hallo ihr Lieben
Gerne erzähle ich meine Stillgeschichte und hoffe, anderen Müttern vielleicht etwas Mut zu machen…
Es ist Sonntag Morgen, der 21.04.2019. Eigentlich wären wir heute zum Brunch eingeladen. Ich habe aber seit mehreren Stunden Wehen, was bei ET +9 auch sehr willkommen ist.
Ich freue mich auf meine Geburt im Geburtshaus und auf alles, was danach auf uns zukommt. Unter anderem aufs Stillen. Wie die Geburt finde ich es das Natürlichste der Welt und weiss, dass ich das ohne jegliches Pipapo meistern kann. Betreffend Stillen habe ich mich gar nicht informiert, ich habe meinem Körper komplett vertraut und auch nie mit dem Gedanken gespielt, sicherheitshalber Pulvermilch kaufen zu müssen.
Leider kam aber alles anders, nie hätte ich damit gerechnet, dass mir so etwas widerfahren könnte.
Start mit einer schweren Geburt
Wir gehen also an diesem Morgen ins Geburtshaus. Ich habe starke Wehen, kann sie aber gut veratmen. Ich fühle mich stärker denn je und so vergehen Stunden. Leider geht es aber nicht vorwärts und nach rund 30 Stunden mit Wehen werde ich ins Spital verlegt.
Hier angekommen bekomme ich eine PDA und kann mich kurz ausruhen. Nach 1,5h folgt eine zweite, da die Erste nicht richtig lag. Plötzlich geht es vorwärts und unser Sohn kommt nach insgesamt 43h mit Wehen zur Welt. Er ist 55cm gross und wiegt 4620g, sein KU misst 38,5cm. Er hat mit seiner Grösse alle überrascht.
Ich habe ihn ein paar Sekunden auf der Brust, da wird er mir entrissen und aus dem Zimmer gebracht. Ans Stillen war nicht zu denken. Gott sei Dank war mit ihm alles gut. Mit mir aber nicht. Der Notfallknopf wird getätigt, rund 10 Hebammen und Ärzte stürmen ins Zimmer, eine Ärztin springt auf mich, drückt mir in den Bauch und sagt, sie könne mir keine Informationen mehr geben, sondern müsse schnell handeln.
Nach Not-OP auf der Intensivstation
Ich sehe noch wie Blut gewogen wird, da sind wir auch schon im Lift in Richtung OP, wo ich drei Stunden lang operiert werde.
In der Nacht erwache ich auf der Intensivstation, natürlich ohne meinen Sohn. Ich hatte einen zweiseitigen Zervixriss, einen Dammriss und eine Uterusatonie. Mein Blutverlust belief sich auf 2,5 Liter. In meiner Gebärmutter befanden sich ein Ballon und Watte – in der Hoffnung, meine Gebärmutter retten zu können.
Nach stundenlangem Warten sah ich dann gegen Mittag endlich meinen Sohn. Noch immer war Stillen kein Thema, ich war vor lauter Medikamenten gar nicht bei mir und hatte noch weitere Eingriffe vor mir.
Nach langen zwei Tagen konnte ich ins Familienzimmer. Hier wurde das Thema Stillen endlich angesprochen. Wie so üblich musste ich erstmal anfangen mit abpumpen, um die Milchproduktion anzuregen. Mir fehlte leider oft die Kraft dazu und einige Hebammen hatten uns eh schon aufgegeben, da mein Sohn bisher nur den Schoppen bekommen hat.
Milcheinschuss trotz hohem Blutverlust?
Alle haben immer gesagt, dass ein Milcheinschuss bei diesem Blutverlust selten kommt und ich auf mich schauen muss. Für mich war aber immer klar, dass ich es versuche und irgendwie habe ich gewusst, dass mir das nicht auch noch genommen wird. Denn mein Körper ist für das gemacht!
Leider konnte mein Sohn nicht gut trinken, da er Mühe hatte, das Vakuum an meiner Brust zu machen. Auch mit Hilfe einer Stillberaterin hat es nicht funktioniert, ich weiss nicht, wie viele Frauen an meiner Brust rumgezerrt hatten, woraufhin ich das Stillhütchen bekam. Mit diesem hat es dann schon viel besser geklappt. Was all diese Interventionen aber bedeuten können, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst.
Die kommenden drei Tage habe ich also gestillt, abgepumpt und es wurde immer zugefüttert. Einfach so, weil man das halt so macht. Da es mir immer schlechter ging, erhielt ich dann am 4. Tag zwei Bluttransfusionen.
Warum noch zufüttern? Es ist genug Milch da!
In dieser Nacht hatte ich dann den Milcheinschuss und von da lief die Milch nur noch so au mir heraus, wortwörtlich. Da die Hebammen darauf bestanden, dass ich nach jedem Stillen abpumpe, habe ich das natürlich auch gemacht und reichlich in den Kühler abgeben können, sodass die Pumi mit Muttermilch ersetzt werden konnte.
Nach 2 Tagen sah ich dann nicht mehr ein, warum ich abpumpen muss, wenn meine Brüste doch schon fast am Platzen sind und bei jedem Pumpen 100ml rauskommen. Sie sagen, ich soll anregen, aber es kommt ja mehr als genug. Also entschied ich mich, nicht mehr zu pumpen. In der selben Nacht kam die Hebamme, um mir beim Anlegen zu helfen.
Ich muss hier vielleicht noch erwähnen, dass mir noch immer die Kraft fehlte, meinen Sohn alleine aufzunehmen. Sie kam also und ich stillte meinen Sohn. Etwas später wollte sie ihn dann wie immer abholen, um wieder zuzufüttern. Ich verstand es absolut gar nicht, ich habe gemerkt, dass ich genügend Milch habe und mein Sohn satt war und fragte sie, warum sie nun eigentlich zufüttern möchte.
Von da an voll gestillt, erst mit, dann ohne Stillhütchen
Sie sagte dann: “Ja, das haben wir ja jetzt immer gemacht, also machen wir das auch weiterhin.” Ich: “Nein, das will ich nicht. Nicht einfach, weil es irgendwo steht. Lassen Sie uns doch abwarten, ob er es braucht. Ich bin mir nämlich sicher, dass er genug bekommen hat.” Die Hebamme: “Gut, dann komme ich später nochmal.”
Tja, was soll ich sagen, von da an habe ich voll gestillt. Mein Sohn hat bis heute keinen Tropfen Pumi mehr bekommen. Was war ich stolz auf mich, auf uns! Ich wusste, das ist die Belohnung und das kann uns niemand mehr nehmen. Nach zwei Wochen durften wir das Krankenhaus verlassen.
Zu Hause wurde ich noch kurz von einer Hebamme betreut und da mich dieses doofe, unnatürliche Silikonteil zwischen mir und meinem Kind nur genervt hat, wollte ich es schnellstmöglich wieder abgewöhnen. Nach wenigen Tagen zu Hause habe ich dann angefangen, immer zuerst ohne Stillhütchen zu stillen, aber immer ohne Druck.
Wenn er es nicht gepackt hat, war es ok und ich hab ihm mit dem Stillhütchen ausgeholfen. Meine Hebamme hat mir tolle Tipps gegeben, Mut zugesprochen und mir immer wieder gesagt, wie sehr sie meinen Willen bewundere, was mich noch mehr antrieb. Nach nur 5 Tagen war das Hütli tatsächlich schon Geschichte.
Mit 5 Monaten Diagnose Milcheiweissallergie
Als mein Sohn 5 Monate alt war, erhielten wir die Diagnose Milcheiweissallergie. Er hatte immer häufiger Blut im Stuhl. Für die Ärzte war klar, dass wir abstillen müssen. Denn dass ich meine Ernährung dermassen anpassen könne und wolle, sei sehr unwahrscheinlich. Ich zögerte keinen Moment und verlangte direkt nach einer Ernährungsberatung, um meine Ernährung entsprechend anzupassen.
Ich habe mir keine Sekunde überlegt, abzustillen! Ich sah es als Herausforderung und es war wirklich spannend, aber auch mega anstrengend, alles, was man zu sich nimmt, unter die Lupe zu nehmen. Ich habe mich dann gute 8 Monate ohne Milcheiweiss ernährt.
Dies führte dann auch dazu, dass ich während einigen Wochen noch Milch spendete für eine Mama, welche zu wenig Milch hatte und ihr Sohn hatte die gleiche Allergie und vertrug das Aptamil Pregomin AS für Allergiker nicht. Mit 14 Monaten war die Allergie ausgewachsen.
Schilddrüsenüberfunktion – und wieder empfehlen die Ärzte, abzustillen
Als mein Sohn 8 Monate alt war, erhielt ich die Diagnose Schilddrüsenüberfunktion. Ich war noch immer angeschlagen von der Geburt und leider wusste man nicht, woher die Überfunktion kam. Die Ärztin empfahl mir mehrmals, abzustillen. Auch weil ich eine nuklearmedizinische Untersuchung machen müsse.
Da ich nicht abstillen wollte, gab sie dem Ganzen noch etwas mehr Zeit und ich informierte mich in einer Stillgruppe auf Facebook, ob Abstillen wirklich nötig sei. War es natürlich wieder mal nicht. Nach einigen Wochen hatte ich erneut einen Termin, worauf sich das Ganze zum Glück von selbst wieder geregelt hat.
Folge-Operation nach der Geburt – stillfreundliche Narkose?
9 Monate nach der Geburt musste ich erneut operiert werden. Narbengewebe von der Geburt und ein Keloid mussten entfernt werden, da sie mir noch immer täglich Schmerzen bereiteten. Auch hier wurde mir empfohlen, abzustillen, wegen der Narkose. Auch hier wusste ich es dank meinen Recherchen besser und verlangte nach einer stillfreundlichen Narkose. Siehe da, noch im Aufwachraum habe ich meinen Sohn wieder gestillt.
Aufgrund dieser und anderen Erlebnissen habe ich angefangen, noch mehr über das Thema Stillen zu lesen. Ich wurde immer selbstsicherer und stille meinen 19 Monate alten Sohn noch heute nach Bedarf, immer und überall, wenn er es braucht, egal wo wir sind.
Glaubt an Euch, glaubt an Euren Körper, Euren Instinkt und seid selbstsicher!
Ich musste mir einen Panzer zulegen, um die Blicke und Kommentare nicht an mich ranzulassen. Und auch an Selbstsicherheit gewinnen, da mir schon von etlichen Ärzten zum Abstillen geraten wurde. Und wenn das ein Arzt sagt, wird es ja schon stimmen, sollte man meinen…
Es macht mich wahnsinnig stolz dass ich heute hier bin, wiederum auch unendlich traurig, weil ich weiss, dass genau aus diesen Gründen Dutzende Frauen keine so lange, wundervolle Stillbeziehung geniessen können. Glaubt an Euch, glaubt an Euren Körper, an Euren Instinkt und seid selbstsicher! Dann kann euch niemand dieses wertvolle Geschenk wegnehmen… ♡
In Liebe Tara
Anmerkung von Nestwärme:
Es ist einfach bemerkenswert, wie sich Tara so für’s Stillen eingesetzt hat und so alle Hürden überwunden hat. Schliesslich wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn Tara nach der OP und dem hohen Blutverlust sowie dem fehlenden ersten Bonding, vom Stillen abgeraten worden wäre und sie das auch akzeptiert hätte.
Auch in allen weiteren Fällen, in denen Ärzte (merke: Ärzte sind keine Stillberater! Das Thema Stillen wird im Medizinstudium nur marginal behandelt) der Einfachheit halber zum Abstillen raten weil sie sich nicht die Zeit nehmen, (z.B. mit Embryotox) nach stillfreundlichen Medikamenten zu suchen, geben viele Mütter auf, weil sie dem ärztlichem Rat vertrauen.
Nicht selten schiessen manche Ärzte gar mit harscher Kritik oder schweren Vorwürfen, wenn Mütter mit etwas älterem Stillkind um Hilfe bitten. “Was, Sie stillen noch!? Das schadet dem Kind, das ist krank!” Nichts, was ich auch in meiner Stillgruppe auf Facebook nicht schon gelesen hätte. Leider… Umso wichtiger, dass Mütter wie Tara nicht aufgeben und Rat suchen. Je informierter wir Mütter sind, desto besser können wir uns gegenseitig unterstützen…